…….!

„In dem Menschen steckt neben aller fremdbestimmter Maskenhaftigkeit die Freiheit der Bewusstheit, der Selbst-Erkenntnis, der Eigensinnigkeit und die aufbegehrende Widerständigkeit. Der Mensch ist eben nicht eine einseitige Kausalmaschine, der schicksalhaft seinen objektiven gesellschaftlichen Bedingungen unterworfen ist, sondern er ist in seiner grundlegenden Freiheitsfähigkeit eben auch der Gestalter seines Selbst und seiner eigenen Bedingungen; d.h. hinter seiner Charaktermaske steckt das Potential der absoluten Kreativität und Gestaltungskraft, die in seiner Variationsreiche, Vielfältigkeit und Spontanität entgrenzend wirken kann. Die Kraft der Phantasie, der Wille zur Kreation, die Grenzen sprengende Fähigkeit zur Liebe, die Gabe zur tiefer Demut, der unbändige Drang die eigene Existenz zu erkennen und schließlich die Erfahrung seiner Vernunfts- und Empathiefähigkeit, dies macht den Menschen potentiell zu seinem eigenen Schöpfer und Gestalter seiner Bedingungen.

Oliver Baiocco 2015


Sondervermögen

Hunderttausende Tote, verkrüppelte Jugend, zerschundene Seelen, Zerstörung, kalter Hass in Verzweiflung und toter Perspektive.

Heute wieder Kriegstüchtigkeit und blinder Gehorsam von geneigten Gehirnen verlangt;
aus dem Frieden wird plötzlich ein schlechter Frieden und dann ein guter Krieg.

Die Verlautbarungstrompeter rufen zur Ordnung und Disziplin, im Gleichschritt wird seit Generationen marschiert und gedacht –
zu laut um die Rufe der myriaden Zerfetzen vergangener Schlachten zu hören.

„Hunde, wollt ihr ewig leben?“ – ihr vaterlosen Gesellen! Es ist wieder Zeit zu sterben – und fragt nicht, denkt nicht - macht, lauft, ihr ehrloses feiges Pack; kämpft, watet frierend durch den eignen Kot, kotzt -
wen interessieren eure blutenden Glieder und kalte Herzen? Mutter und Vater sind weit weg.

Wofür? Du wagst zu fragen Demokrat, Bürger, Befehlsempfänger, Soldat?
Vergiss was gestern war – die Sache ist doch klar! Aus Frieden wird Krieg, aus schlecht wird gut und Unrecht zu Recht – wir haben die Weltformel du einfältiger Untertan – das verstehst du nicht und wenn doch, dann hab acht vor deinem Eigensinn – der wird arg, gar hinderlich.

Denn nur wir sind gut – und die anderen schlecht. So war es doch immer, du verstehst – du Knecht?! Was magst du Troll verstehen vom großen Spiel der mächtigen Könige und Damen, Türme und Springer – sei deinem Bauernsein verbunden, was hinter dir gespielt wirst nicht ergründen.

Du wirst gestellt wohin dein Stand dich sieht – mit süßen Stimmen und einfältigen Floskeln, gereimt von noch verschlagenen Flüsterern  - bis kleberig heimlich dir es düngt – dein Leben soll so sein.

Überlass es den Großen und Klugen und den Reichen – die geschickt die Welt versteh`n und dreh`n – auf das ein Krieg wenn nötig gestorben werden muss –
von dir, nicht von uns, denn wir müssen regier`n.“

Oliver Baiocco
März 2025


Die Glocke

Schau, Schau - wie leer es ist -

      Pssss, horch wie ruhig es ist -

            glitzernde Seifenblasen segeln

                  leicht von dort - und dort - und dort.

Hör, da ist kein Wehen mehr - nur -

      dort und dort - weit weg ein Wink.

           Es ist so ruhig, so fern -

               mein Blick ist hier, nur hier -

                      mein Herz ist hier, nur hier.

                          glitzernde Seifenblasen segeln weit.

 Oliver Baiocco 2022


Der Moment

Ich spüre noch das Fallen

in dem Moment als mir zum Halten war.

Ich spüre noch das Greifen

in dem Moment als Leere war.

Ich spüre noch die Einsamkeit

in dem Moment als nichts mehr war.

       - Stille –

Ich spüre dann, wie Glück sein kann

in dem Moment als ich mich sah.

Oliver Baiocco 2022


Falten

So wie die Jahre ziehen - vorbei,

So wie die Schläge schmerzen - ach nur Pein

So wie die Hoffnung mich hält - vorm Grund

So wie die Sehnsucht mich füllt – so bunt.

So steh ich nun da – vor dir

mein Leben in Falten - zerfurcht, gebrochen, zerklüftet, ausgewaschen und wild.

So steh ich da – vor Dir

Und du? - du lächelst - und wanderst

durch meine Schluchten und Täler, Gebirge und Abgründe.

Oliver Baiocco 2022


Schmerz ohne Schatten

Wie ich nach steilen Aufstiegen, mit brennenden Gliedern
eine Weile da saß, mit tiefem Atem - mir der Mühe wurd‘ gewahr,
die mich begleitete von Anbeginn – Jahr um Jahr.

Es führte mich mancher Weg
durch fesselnden Nebel in tiefen Morasten,
mit Stille so laut – dem eigenen Willen entrechtet,
so fest in fremder Trauer geknechtet.

Wie wünscht´ ich mir doch,
um den langen fressenden Schatten zu wissen,
des Feindes fremde Augen gegenüberzustehen,
um nicht unerhört, vergessen und gar ohne Hoffnung unterzugehen.

Dem Schmerz ohne Schatten einen Namen - einen Antlitz zu geben,
an die ich richten kann meinen Blick, meine Fragen,
meine Tränen und einsamen Zweifel endlich zu wiegen - in Sicherheit, ohne zu zagen.

Nun schaue ich dir, mein Schmerz, in die wartenden Augen -
gesehen zu werden, war dein Ziel - Anerkennung zu erlangen, so lang
und aus dem nun sichtbaren Schatten formt sich bedachtsam das Wissen.

Oliver Baiocco 2020


Zwei Jahre

Zwei brennende Jahre -
dann dein Gesicht auf flackerndem Bildschirm.

Müde Augen schauen mich an
und Tränen die lautlos schreien.

Zwei zu Stein gewordene Jahre -
meine Trauer eingekerkert in kalter Zeit.

Wer bist Du? Wer bin ich?

Dein Schmerz wie ein Schlag gegen meine Brust,
die von innen mir drängt.

Zwei fliehende Jahre.
Tausende Bilder vergangener Zeit im täglichen Warten.

Da warst Du! Das war ich!

Und nichts von dem was war, wird wieder sein.

Oliver Baiocco 2019


Freund

Wenn ich Dir sagen würde:
„Ich schaffe es nicht!“
Dann fülltest du in mir den fehlenden Mut.
Wenn ich Dir sagen würde:
„Ich kann es nicht!“
Dann gereichtest du mir Deine offene Hand.
Wenn ich Dir sagen würde:
„Ich will nicht mehr!“
Dann sätest du in mir neue Hoffnung.
Wenn ich Dir sagen würde:
„Ich weiß nicht mehr!“
Dann sähe ich Deine ängstlichen Augen unsicher sagen: Vertraue!
Und ich vertraue.
Bloß den Glauben habe ich verloren, wie ich verloren habe den Urgrund.

Oliver Baiocco 2017


Mein Sohn

Plötzlich treffen sich die Blicke –

die Zeit steht still – nur kurz –

und doch so lang.

Ich erkenne mich in deinen Augen,

und du spiegelst dich in meinen.

In diesem Bruchteil eines Herzschlages

habe ich gespürt so unsagbares,

wie Unendlichkeit undenkbar ist.

Oliver Baiocco 2012


Stille

Ein Stein – Steine. Eine Mauer. Stille!

Die Zeit. Viel Zeit. Unendlichkeit.

Warten – warten, bis die Zeit in der Stille versinkt.
*
Augenblicke – auf der Suche nach dem Schlag

von der Sekunde, zur Minute zur Stunde.

Kein Widerhall erinnert an Gestern.
*
Die Ruhe senkt sich – langsam – bedeckt.

Die Hoffnung – zerrinnt mit dem fließen

des Blutes bis der Hauch – schwach – am Ende.

Oliver Baiocco 2006


Meine Liebe!

Ich würde Dir gerne etwas zärtliches schreiben,…
……..fühlbar, gar der Überbringer würde Dir mit bedacht
den Brief in deine Hände legen
und noch zeitlos, mit einem lächeln vor Deiner Tür verharren.

Ich würde Dir gerne etwas zärtliches schreiben,…
………in einer unbekannten Sprache, die so reich an Worten,
wie meine Gedanken und Gefühle an Bildern,
dass jeder Buchstabe ein Blick,
jedes Wort ein Lächeln und jeder Satz eine Umarmung wird.

Ich würde Dir gerne etwas zärtliches schreiben,…
……….das von Hoffnung, Frohsinn und Demut spricht
und Dich mit Wasserperlen der Zärtlichkeit umgibt,
so dass Dir schwindelig wird.

Von alledem würde ich Dir gerne schreiben…………meine Liebe!

Oliver Baiocco 2000


Erdbeben

Ein Ungleichgewicht ist eingetreten:
wankelnd, schwindelnd schwanken,
die Hände zum greifen offen
und die Füße noch fester auf den Boden setzend.

Dumpfes Rauschen begeleitet sinusartiges Schwingen
und lautes Weiß mit schattigem Matt hängt fad.

Abgebremst in schneller Fahrt
drückt nun all die Kraft auf mein Leben.

Bilder explodieren, der Körper schwer und schmerzhaft
in der Last verformt sucht ebenso
wie die Gedanken nach Ruhe.

Oliver Baiocco 1995

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